Hexuma: Das Auge des Kal


2. August 1927

Lieber Owen!

Mit dieser Post erh�ltst Du Deinen Edelsteinsplitter und Dein Tagebuch zur�ck.
Hoffentlich erreicht es Dich noch rechtzeitig.
Ich bin sehr ungl�cklich, da� Du so lange auf meine R�ckpost warten mu�test,
wiewohl ich auch unschuldig an diesem Ungl�ck bin. Wie Du wei�t, infizierte ich
mich damals auf dieser ungl�ckseligen Forschungsreise nach Afrika, auf der wir
nach dem legend�ren Elefantenfriedhof suchten, mit der Malaria.

Vor einigen Wochen suchte mich einer dieser schlimmen Fieberanf�lle heim - man
brachte mich ins Hospital, und ich rang eineinhalb Wochen lang um mein Leben.
Erst seit ein paar Tagen bin ich wieder einigerma�en bei mir, und so kam es, da�
mir bis gestern keine Post �bergeben wurde.
Dein Edelsteinsplitter lag mehrere Wochen lang bei meiner Schwester, die ihn mir,
samt des Briefes mit Deinem Tagebuch, erst gestern aush�ndigte.
Mit gro�er Best�rzung las ich, wie weit Du gekommen warst, aber auch, wie sehr
Du in N�ten steckst. Ich kann nur beten, da� Dir in der Zwischenzeit nichts
zugesto�en ist, und da� Du diese Post noch rechtzeitig erh�ltst.
Der geheime Keller, den Du unter dem Hawthorne-House entdeckt hast, scheint in
seiner Anlage all dem zu entsprechen, was ich selber �ber den Kal-Mythos gelesen
habe. Ich bef�rchte und hoffe zugleich, da� er tats�chlich �ber jene mystischen
Kr�fte verf�gt, die Du in ihm vermutest!
Auch das, was in Deinem Tagebuch �ber den Kal-Mythos steht, deckt sich mit
meinem Wissen, und so glaube ich, da� Du tats�chlich an der Schwelle stehst, in
eines der tiefsten, schrecklichsten und phantastischsten Geheimnisse dieser Welt
einzudringen!

So gern ich selbst Dir helfen, und Dich bei Deiner Reise begleiten w�rde - ich bin
leider noch so hinf�llig, da� ich kaum ein paar Schritte gehen kann.
Es bleibt mir nur, Dir das Gl�ck zu w�nschen, das Du brauchst, um Deine ebenso
heikle wie spektakul�re Mission zu erf�llen.

Ich hoffe, da� Du mit dieser schrecklichen Kreatur, die Dein Haus umschleicht,
fertig geworden bist, und da� ich bald wieder von Dir h�re. Falls nicht, werde ich,
wenn ich wieder bei Kr�ften bin, selbst zum Hawthorne-House reisen, und sehen,
ob ich irgendetwas tun kann.
Ich w�nsche Dir alles Gl�ck der Welt, Dein ergebener Freund


John Pilestaff



HEXUMA: Das Tagebuch des Owen Jugger
(typed up by Rob - http://www.the-underdogs.org)

Ich will heute damit beginnen, Aufzeichnungen zu
machen, meine Nachforschungen treten nunmehr eine
Phase, in der jeder winzige Hinweis von eminenter
Bedeutung sein k�nnte. Langsam beginnt das Haus,
seine erstaunlichen Geheimnisse preiszugeben. Wohne
nun mit Emily, Harold und dem Hund seit fast drei
Wochen hier. Der Lone Hill liegt ein St�ck �ber dem
Tal, der n�chste Nachbar ist eine gute Meile
entfernt. Um das Haus herum gibt es seltsam verkr�p-
pelte B�ume, das Gras scheint nicht so recht wachsen
zu wollen, und mir scheint, da� selbst der
Sonnenschein bei sch�nem Wetter hier oben ein wenig
d�ster wirkt. Die Versprechungen, die Oates �ber das
Haus machte, sind wahrhaftig nicht �bertrieben! Die
alte Gem�uer ist in der Tat recht unheimlich, und
hier in dieser abgelegenen Gegend finden sich genug
alte Sagen und abergl�ublische �berlieferungen, um
reichlich Stoff f�r meine Publikation zu liefern.
Das Haus selbst ist eine Fundgrube. In der Bibliothek
stehen Unmengen von geheimnisvollen B�chern �ber
Zauberkulte, Sekten, Hexengeschichten und Mystik.
Habe von den Dorfbewohnern einiges �ber die alten
Hawthornes erfahren. Der ganze Clan war hier in der
Gegend ziemlich verrufen. Da das Haus schon immer
einen unguten Ruf hat, war es den Leuten ohnehin
nicht geheur, wenn hier jemand l�nger als drei Tage
wohnte. Werde wohl selber bald als der Hexenmeister
von Lone Hill verrufen sein, haha!

28. Februar 1922
Drau�en st�rmt und schneit es. Harold war heute im
Dorf, um ein paar Dinge f�r mich zu besorgen. Dabei
ist er von anderen Kindern angegriffen und verpr�gelt
worden. Ich kann nur hoffen, da� sich meine sp�tti-
sche Schlu�bemerkung von gestern nicht allzuschnell
bewahrheitet! Habe heute Post von P. erhalten. Meine
Kontaktaufnahme mit ihm hat sich gelohnt, er ist ein
wahrer Experte auf dem Gebiet des Okkulten und der
Mystik und kennt H.P.L. pers�nlich! (Freilich nur per
Briefverkehr!) Habe von P. neues Material erhalten,
das ich erst sichten mu�.

4. M�rz 1922
Das Wetter wird immer schlechter. Wir sind inzwischen
wieder eingeschneit. Habe in der Bibliothek
Aufzeichnungen gefunden, die �ber den Lone Hill
berichten. Das ist sehr interessant! Demnach hat hier
in der unmittelbaren N�he fr�her eine Burg existiert.
Es mu� im Vierzehnten Jahrhundert gewesen sein, aber
von dieser Burg ist heute nichts mehr zu entdecken.
Bei dieser Witterung ist eine Erforschung der
Umgebung zwecklos. Werde damit wohl noch bis zum
Fr�hjahr warten m�ssen. P's Berichte �ber den
Hawthorne-Clan sind beeindruckend. Es ist keine vier-
zig Jahre her, da� der letzte von Ihnen gestorben
ist, es existieren Ger�chte, da� er irrsinnig gewor-
den sei, und sich irgendwo in einer Anstalt das Leben
genommen haben soll. Sein Name war Samuel Hawthorne.
Ein Portrait von ihm h�ngt noch immer in der
Bibliothek �ber dem Kamin.

5. M�rz 1922
Heute ist Harolds Geburtstag. Wir feierten ihn
bescheiden, aber immerhin mit Kaffee, Kuchen und ein
paar kleinen Geschenken. Von Emily bekam er eine
kleine Kinderbibel mit Widmung und eine wertvolle und
alte M�nze aus Silber. Ich schenkte ihm ein Album mit
anderen M�nzen, da das M�nzsammeln sein erkl�rtes
Steckenpferd ist. Meine M�nzen jedoch scheinen gegen
die eine von Emily nicht anzukommen. Der Kleine liebt
seine Mutter sehr. Er baute seiner Silberm�nze so-
gleich ein besonderes Versteck - im hinteren
Buchdeckel seiner Kinderbibel.
Habe heute nachmittag noch einmal das Haus von oben
bis unten durchst�bert, fand aber nichts Au�erge-
w�hnliches. Sch�tze, da� die Bibliothek einiges an
Geheimnissen birgt - aber um sie zu durchforschen,
brauche ich wohl mehrere Wochen Zeit.

7. M�rz 1922
Heute war der Architekt da, und hat sich das obere
Stockwerk angesehen. Er meint, die Restaurierung des
Hauses w�re sehr kostenaufwendig. Das St�tzwerk und
die Balken sind schon ziemlich morsch. Nachts knackt
es st�ndig im Geb�lk, Emily dr�ngt mich, unser
Schlafzimmer nach unten zu verlegen. Bin jetzt fertig
mit der Lekt�re von P's Material. Die Hawthornes
haben dieses Haus nicht selber bauen lassen! Es stand
schon geraume Zeit unbewohnt auf dem Lone Hill, bevor
sie es �bernahmen. �ber den tats�chlichen Erbauer ist
nichts bekannt. Es waren mehrere Bewohner, die vor
den Hawthornes hier lebten, doch Sie haben es offen-
bar niemals sehr lange im Hause ausgehalten. Sir
Ascot Hawthorne zog im Jahre 1806 mit seiner Familie
hier ein. Sein Sohn Charles �bernahm das Haus 1834,
als Ascot starb. 1838 wurde Samuel Hawthorne geboren.
Es ist mir noch unklar, ob letzterer der gro�e
Mystiker in der Familie war, oder ob sich schon sein
Vater Charles mit den geheimen Wissenschaften
besch�ftigte. 1854 starb Charles Hawthorne, zuletzt
lebte er allein mit Samuel im Hause, und es war die
Zeit, da die Ger�chte im Tal und im Dorf bl�hten. Die
Umst�nde sind ungekl�rt, unter denen Samuels Vater
verschied; Tatsache ist, da� nirgens ein Grab zu
finden ist, weder auf dem Dorffriedhof, noch irgendwo
hier, auf dem Lone Hill. F�r die folgenden zwanzig
Jahre lebte Samuel sehr zur�ckgezogen, eine seltsame,
verkr�ppelte, langhaarige Gestalt namens Andy erle-
digte seine Besorgungen, Samuel hingegen sah man nie-
mals unten im Dorf. Irgendwann im April des Jahres
1883, es waren viele Jahre vergangen, kam der schau-
erliche Gehilfe des letzten Hawthorne ins Dorf
gerannt, und sabberte unzusammenh�ngende S�tze, �ber
die heute nichts Genaues mehr zu erfahren ist. Einige
beherzte D�rfler folgten Andy auf den Lone Hill, und
fanden dort den 45 Jahre alten Samuel, aber er sah
aus wie achtzig. Sein ganzer K�rper war geschw�rzt,
und er phantasierte wildes Zeug zusammen. Er sprach
�ber ferne Welten, gl�nzende Splitter eines Auges und
�ber eine schreckliche Gefahr, die der Welt drohe.
Das Haus war in desolatem Zustand. Zwei Tage sp�ter
�berwies man ihn in die staatliche Nervenheilanstalt,
wo er sich nach drei Monaten das Leben nahm. Fragt
man heute die Leute unten im Tal, so versichern Sie,
da� Sam Hawthornes Irrsinn auf das Haus zur�ckgeht.
Diese Geschichte ist absolut faszinierend, ich habe
bereits Kontakt mit meinem Verleger aufgenommen, und
ihn auf ein sensationelles Werk vorbereitet.

10. M�rz 1922
Endlich habe ich in der Bibliothek Hinweise auf
die alte Burg gefunden. Eine erstaunliche Entdeckung!
Wenn ich mich nicht v�llig irre, dann ist das
Hawthorne Haus auf dem Fundament der Burg errichtet!
Es mu� eine kleine Raubritter-Burg aus dem 14.
Jahrhundert gewesen sein, die damals bis auf die
Grundfesten niederbrannte. Das Buch, in dem ich diese
Information fand, ist steinalt und schwer leser-
lich. Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich alles
zusammengetragen habe. Emily klagt �ber
Schlaflosigkeit. Harold liegt mit Fieber im Bett, und
der Hund ist f�chterlich unruhig. Kein Wunder, denn
wir sind hier seit einer Woche eingesperrt; der
Schnee liegt drau�en �ber einen Meter hoch. Habe
heute unser Schlafzimmer nach unten verlegt, denn mit
dieser Schneelast auf dem morschen Dach ist das
Geknarre und das �chzen des Geb�lks in der Tat beun-
ruhigend. Ich bin sehr gespannt, welche Aufschl�sse
das Buch weiterhin bringt. Ich bin sicher, da� hier
im Haus ein gro�es Geheimnis existiert.

11. M�rz 1922
Es ist wahr! Das Hawthorne-Haus steht auf den
�berresten der alten Burg! Also mu� es unter dem Haus
einen tiefen Keller geben, denn ich habe noch nie von
einer Burg geh�rt, die keine Kellergew�lbe und
Verliese gehabt h�tte! Doch im ganzen Haus ist nicht
der mindeste Hinweis auf einen Kellereingang zu ent-
decken! Ich werde mich auf die Suche begeben.
M�glicherweise finde ich irgendwo in den B�chern
einen Grundrissplan der Burg. Damit k�nnte ich die
alten Keller aufbrechen und wieder zug�nglich machen.
Dort irgendwo k�nnte das Hawthornische Geheimnis ver-
borgen liegen!
Das Wetter ist w�rmer geworden. Bald wird wohl der
Schnee wieder dahinschmelzen. Das ist auch dringend
n�tig, weil ich hinunter ins Dorf mu�, um Grabwerk-
zeuge und �hnliches zu beschaffen. Habe heute einen
Brief an P. aufgesetzt, denn ich mu� ihm meine neue-
sten Erkenntnisse unverz�glich mitteilen!

11. M�rz 1922
Heute bin ich unten im Dorf gewesen. Die Leute sehen
mich seltsam an. Es erscheint mir eindeutig, da� in
dieser Gegend noch immer die Sage um den alten
Hawthorne lebt, und da� es jeder schwer haben wird,
der auf den Lone Hill lebt. Sei's drum! Ich werde
mich nicht dem l�ndlichen Aberglauben beugen,
schlie�lich bin ich ein reputierter Anthropologe!
Meine Forschungen finden ihren Gipfelpunkt in der
Aufkl�rung des Hawthorne-Mythos, und ich habe keine
Zweifel, da� mir die Publikation �ber dieses Thema
die Anerkennung bringen wird, die mir schon lange
zusteht!
Ich habe den Arzt gleich mitgenommen, denn Harolds
Gesundheitszustand ist bedenklich, und auch Emily
scheint krank zu werden. Irgendein hartn�ckiger
Bazillus will sich bei uns breitmachen. Der Arzt,
Doktor Sutherland, ist ein vertrauensw�rdiger Mann,
trotzdem zeigte auch er Zur�ckhaltung, als ich ihn
bat, mich nach Lone Hill zu begleiten. Ich werde wohl
noch einiges durchstehen m�ssen.

12. M�rz 1922
Bin gestern abend nicht mehr zum Schreiben gekommen,
weil sich etliche h�chst interessante Dinge ergaben.
Zum einen erz�hlte Doktor Sutherland �ber das Haus
und die Hawthornes. Sein eigener Vater, der fr�her
ebenfalls der Arzt des Dorfes war, kannte Sam
Hawthorne pers�nlich! Sutherland erz�hlt, da� sein
Vater �ber viele Jahre hinweg beobachten konnte, auf
welch schreckliche Weise sich der Geisteszustand
Hawthornes zersetzte. W�hrend seiner letzten zehn
Lebensjahre neigte Samuel immer st�rker zu haarstr�u-
benden Phantastereien, erz�hlte �ber eine alte, ver-
gessene Sekte und �ber eine verfluchte Burg. Und es
war sogar dem Doktor neu, als ich ihm erz�hlte, da�
das Hawthorne-Haus m�glicherweise auf den Grundfesten
dieser Burg erbaut ist. Harold hat Medikamente erhal-
ten, und heute morgen scheint es ihm besser zu gehen.
Auch Emily kr�nkelt nun, ich habe ihr vorsichtshalber
von den gleichen Medikamenten gegeben. Meine Sorge
ist der Hund, der sehr fahrig und unberechenbar
geworden ist. Habe heute morgen Fu�spuren im Schnee
um das Haus herum entdeckt. Vielleicht ist der Hund
deswegen so nerv�s. Die Spuren waren schon fast wie-
der zugeschneit, deswegen konnte ich kein Stiefel-
profil erkennen, anhand dessen man vielleicht fest-
stellen k�nnte, wer sich da nachts um das Haus herum-
treibt. Es wird wohl irgend so ein abergl�ubischer
Bauernkerl sein, der auf Gespenstersuche ist!

13. M�rz 1922
Freitag der Dreizehnte! F�r mich scheint es eher ein
Gl�ckstag zu sein! Habe heut nachts bis gegen vier
Uhr gearbeitet, und verf�ge nun �ber das komplette
Material, was die Burg betrifft! Jedenfalls soweit es
aus dem alten Buch ersichtlich ist, das ich in der
Bibliothek fand. Demnach lies ein Landgraf um das
Jahr 1470 die Burg auf dem Lone Hill errichten. Es
war eher ein kleiner Landsitz, nur schwach befestigt,
und mehr zu Wohnzwecken denn als Festung gedacht. Der
Graf verarmte bald, und mu�te seine Burg verkaufen.
Sie wurde von einem ber�chtigten Rittergeschlecht
�bernommen. Die Ritter begannen sehr bald damit, die
Bauern in der Umgebung zu drangsalieren und zu
mi�handeln. Die Bauern erflehten Hilfe bei einem
Baron, der weiter im S�den residierte, und dieser
eilte zu Hilfe. Er zwang mit seinen Soldaten die
Raubritter in die Defensive, wobei es ihnen aber
nicht gelang, die Burg zu nehmen. So aber zogen sich
die Ritter zur�ck und beschieden sich darauf, hin und
wieder Reisende und kleine, wehrlose D�rfer in
gr��erer Entfernung zu �berfallen. Doch eines Tages,
so erz�hlen die alten B�cher, �berfielen sie einen
Zug von Pilgern, und fanden bei ihnen sehr seltsame
Beute - �ber die leider nichts n�heres berichtet ist.
Sie t�teten alle, und schleppten das Raubgut auf die
Burg. Seit diesem Tage zogen die Ritter nicht mehr
auf Beute, und die Bauern der Umgebung atmeten ein
wenig auf. Dann, etwa ein Jahr sp�ter, brach im Tal
eine grauenhafte Seuche aus, die fast die H�lfte der
Bewohner niederdtreckte. Und von den Rittern war von
Stund an nichts mehr zu h�ren und zu sehen.
Schlie�lich wurde offenbar, da� sich auf der Burg
keine Seele mehr r�hrte, und als ein paar mutige
Bauern in die Burg eindrangen, fanden sie alles so,
als w�ren die Ritter nur zu einem kurzen Ausflug auf-
gebrochen - als k�nnten Sie jeden Moment zur�ckkeh-
ren! Die Tische waren noch gedeckt, obschon staubig,
in den Zimmern lagen Kleidung, R�stzeug und Waffen.
Aber kein Bewohner oder auch nur eine m�gliche Leiche
wurde entdeckt. Die Knochen von Pferden und Hunden
hingegen waren schon l�ngst von den Ratten abgenagt.
All diese Tiere innerhalb der Mauern der Burg waren
verhungert. Da dies den Bauersleuten nicht geheuer
erschien, verlie�en sie alsbald die Burg, feierten
aber des Nachts ein gro�es Freudenfest. Ein paar
Betrunkene m�ssen dann wohl noch in der gleichen
Nacht in der Burg ein Feuer gelegt haben. Sie brannte
vollst�ndig nieder. Ich vermute, da� sich in den
geheimnisvollen Kellern der Burg, die ja noch immer
erhalten sein k�nnten, jene seltsamen Relikte aus dem
letzten Raubzug der Ritter auffinden lie�en.
Vielleicht gibt es hier den Anfang und die Aufl�sung
des Hawthorne-Mythos. Ich werde meine Suche nach dem
Keller verst�rken!

15. M�rz 1922
Heute mu�te ich den Doktor wieder holen. Harold ist
wieder einigerma�en auf den Beinen, aber meiner armen
Emily geht es sehr schlecht. Das Haus ist ein wenig
feucht, eigentlich sollte ich daf�r sorgen, da� meine
Frau an einem ges�nderen Ort genesen kann. Leider
fehlt mir die M�glichkeit dazu. Seit Tagen herrscht
ein muffiger Geruch im oberen Stockwerk, so da� ich
nun auch Harold hier unten einquartieren mu�te.
Habe heute morgen wieder Fu�spuren um das Haus herum
gefunden. Der Kerl, der hier herumschleicht, mu� rie-
sige F��e besitzen. Der Hund ist berechtigterweise
au�er Rand und Band - ich mu�te ihn im Billardzimmer
einsperren, welches wir nie benutzen. Bekam heute
Nachricht von der Bank, da� meine Barschaft nunmehr
aufgebraucht ist. Ich werde wohl noch ein wenig
Kredit bekommen, aber es wird Zeit, da� ich meine
Arbeit beende, um wieder zu Geld zu kommen. Emily hat
heute zum erstenmal offen erw�hnt, da� Sie lieber von
hier fort m�chte.

17. M�rz 1922
Emilys Zustand verschlechtert sich. Wieder war der
Doktor da, er konnte nicht erkl�ren, welche seltsame
Krankheit Besitz von ihr ergriffen hat. Er riet mir,
sie schnellstens von hier wegzubringen. Aber wohin?
Ein Krankenhaus kann ich mir nicht leisten. Ich ver-
suche, mich um sie zu k�mmern, so sehr ich kann. Sie
schl�ft nun im Gesellschaftszimmer, der Raum ist
durchgehend geheizt, und weitestgehend trocken.
Habe heute in der Bibliothek einen Hinweis auf einen
verborgenen Kellereingang entdeckt. Arbeite fieber-
haft. Vielleicht gelingt es mir, in den n�chsten
Tagen das Geheimnis zu l�ften. Mit einer solchen
Erfolgsmeldung k�nnte ich vielleicht meinen Verleger
um einen Vorschu� bitten. Harold zeigt sich ungedul-
dig und �berreizt, er macht sich gro�e Sorgen um
seine Mutter. Wenn die Lage nur nicht so verzwickt
w�re! Wieder habe ich Fu�spuren gefunden. Der Hund
scheint langsam durchzudehen. Wenn sich das nicht
bessert, werde ich ihn erschie�en m�ssen. Das Wetter
wird wieder schlechter.

18. M�rz 1922
Erlebte heute einen kurzen Gl�cksmoment, weil ich
glaubte, den verborgenen Eingang zum Keller entdeckt
zu haben. Stie� aber leider nur auf einen alten
Weinkeller.
Heute ist der Hund davongelaufen. Habe keine Ahnung,
wie er aus dem Billardzimmer verschwinden konnte. Die
T�r war zwar nicht verschlossen, aber zu. Bisher hat
er noch nie T�rklinken ge�ffnet. Emily hustet und
erbricht sich, und Harold wird vor Angst langsam
hysterisch. Wieder war der Arzt da, ich kann nun auch
seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Eine ungute
Stimmung lastet auf dem Haus. Aber ich glaube, da�
ich bald den Kellereingang finden werde. Die Hinweise
h�ufen sich. Wenn mir das gelingt, wird alles wieder
gut werden.

20. M�rz 1922
Der gro�e Tag ist da! Endlich habe ich den Zugang zum
Keller gefunden! Ein absolut raffiniertes Versteck!
Hoffnung keimt wieder auf, und Emily scheint es heute
ein wenig besser zu gehen!
Aus dem finsteren Kellerloch dringt ein seltsamer
Gestank herauf, ich mu� mir heute nachmittags erst
noch einige Werkzeuge und Lampen besorgen, bevor ich
mich dort hinunterwage. Doch die L�sung des R�tsels
steht bevor. Werde noch heute an meinen Verleger
schreiben, und um Vorschu� bitten! Nur noch ein paar
Wochen Zeit, und alle Probleme sind gel�st!

22. M�rz 1922
Letzte Nacht bin ich hinuntergestiegen. Es war in der
Tat schauerlich. Die schmalen Stufen f�hren tief
hinab, und man gelangt in einen kleinen Raum, in dem
nichts als ein rechteckiger Felsblock steht. Einen
weiteren Weg gibt es nicht. Der Gestank dort unten
ist �berw�ltigend. Ich bef�rchtete schon, dort irgen-
detwas Verwesendes zu finden, doch der Raum ist kahl.
Doch soviel scheint klar: der Weg mu� von hier aus
weiter f�hren, denn wozu sollte wohl sonst ein sol-
cher Raum n�tze sein? Tief unten m�ssen gro�e Gew�lbe
liegen, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich
zu ihnen vorsto�e.
Heute am Tage habe ich wieder Spuren gefunden.
Diesmal war es in der Nacht windstill, so da� die
Fu�stapfen nicht verweht wurden. Ich mu� sagen, ich
war best�rzt, als ich sie genauer betrachtete! Es mu�
sich um irgendein Tier handeln, denn es sind nicht
die Abdr�cke von Schuhen oder Stiefeln. Allerdings
habe ich noch nie ein Tier gesehen, das solche Spuren
hinterlie�e. Es mu� drei seltsame Zehen besitzen, und
ziemlich gro� sein. Die einzelnen Abdr�cke sind �ber
vierzig Zentimeter lang! Kein Wunder, da� der Hund so
verr�ckt war!
Trotz meiner Erfolge will Harold weg von hier. Ich
musste ih bes�nftigen und ihm in Aussicht stellen,
da� ich bald genug Geld haben werde, um uns ein ande-
res Domizil zu verschaffen und seine Mutter in ein
gutes Krankenhaus zu bringen. Es geht ihr ein wenig
besser, allerdings ist sie sehr hinf�llig und mu�
gepflegt werden. Seit ich den Keller ge�ffnet habe,
hat sich dieser scheu�liche Geruch im Haus festge-
setzt. Ich mu� sagen, da� ich eigentlich auch bald
wieder von hier fort m�chte.

24. M�rz 1922
Komme mit dem Geheimnis des Kellers nicht weiter.
Habe dort drunten eine ganze Nacht bei Kerzenlicht
verbracht, und hoffte auf eine Eingebung. Doch au�er
dem scheu�lichen Geruch, der Gott sei Dank an Inten-
sit�t verloren hat, wurde mir keine Wahrnehmung
zuteil. Ich untersuchte die W�nde und den Boden, die-
sen seltsamen Steinquader und alle m�glichen Ritzen,
doch ich konnte nicht den geringsten Hinweis finden.
Am Abend musste ich den Doktor holen, denn es ging
Emily abermals sehr sehr schlecht. Sie mu�te wieder
erbrechen, und hat einen ekelhaften Hautauschlag
bekommen. Doktor Sutherland sch�ttelt nur noch den
Kopf. Er hat nicht die geringste Vorstellung, welche
Krankheit sie hat. Ich habe viel zu lange gez�gert,
sie von hier fortzubringen. Dieses verfluchte
Hawthorne-Haus! Manchmal komme ich mir schon vor, als
w�re ich von der Idee geradezu besessen, diesem Spuk
auf die Spur zu kommen, und w�rde dabei meine Familie
v�llig vergessen! Ich habe mich nun dazu entschlos-
sen, Emily von hier fortzubringen, denn ich kann die
Verantwortung f�r ihre Gesundheit nicht l�nger tragen.

26. M�rz 1922
Die Zeichen stehen schlecht. Habe Antwort von meinem
Verleger erhalten. Vorschu� ist zur Zeit nicht m�g-
lich. Emily geht es immer schlechter. Ich habe den
Doktor nochmals hergebeten, und ihm um Hilfe ersucht.
Er meint, da� Emily nicht transportf�hig w�re. Er gab
ihr nunmehr starke Arzneien, und befahl mir, st�ndig
in ihrer N�he zu bleiben. Ich sollte mir keine Sorgen
wegen der Rechnung machen, die Gesundheit von Emily
w�re derzeit das Wichtigste. Ich bin dem Manne sehr
dankbar.
Immer noch kein Erfolg im Keller. Ich f�hle mich
�berreizt und abgespannt. Emily sieht furchbar aus.
Es wird ihr doch nichts Schlimmeres geschehen?

29. M�rz 1922
Der Schnee ist fast weggetaut. Machte heute einen
kleinen Rundgang, und entdeckte den Kadaver des
Hundes. Er war abscheulich zerfetzt. Ich mu� heraus-
finden, welches Tier sich hier rumtreibt.
Vielleicht kann es auch uns gef�hrlich werden? Mit
meinen Nachforschungen komme ich augenblicklich �ber-
haupt nicht weiter.
Habe mir �berlegt, auf welche Weise ich zu Geld kom-
ken kann. Emily mu� schellstens in ein Krankenhaus,
und ich selbst bin schon soweit, da� ich beim Kr�mer
untem im Dorf anschreiben lassen mu�.
Die Situation hier im Haus ist derart verworren, da�
keiner mehr so recht zurechnungsf�hig ist. Harold
h�tte beinahe Petrolium getrunken, weil er die
Flaschen verwechselte. Da ich �berdies kein Geld mehr
und nur noch sehr wenig kostbares Petrolium f�r meine
Funzel besitze, habe ich es im Weinkeller in eine
alte Flasche von 1896 abgef�llt und versteckt. Ich
hoffe, da� der Feuerstein meines alten, goldenen
Feuerzeugs noch h�lt, damit ich die Funzel entz�nden
kann. Ich lege es jetzt immer auf den Kaminsims im
Gesellschaftszimmer, der so hoch ist, da� Harold
nicht hinaufreichen kann.

30. M�rz 1922
Habe gestern nacht in einem regelrecht w�tenden
Anfall nochmals das ganze Hawthorne-Material durchge-
sehen. Aber ich fand nicht den geringsten Hinweis,
was es mit dem stinkenden Kellerloch auf sich haben
k�nnte. St�ndig grinst mich Sam Hawthorne's Gesicht
h�misch an, wenn ich ratlos zu ihm hinaufsehe, dort
auf seinem Portrait, das �ber dem Kamin in der
Bibliothek h�ngt. Mir ist immer noch keine L�sung
meiner Geldprobleme eingefallen. Aber es wird Zeit,
da� etwas passiert. Das Gesicht, das ich heute morgen
im Badezimmer-Spiegel erblickte, sah kaum noch aus
wie Owen Jugger. Bartstoppeln, rotger�nderte Augen
und ein bleiches Gesicht, gezeichnet von Sorge und
�beranstrengung. Harold ist apathisch, und Emily
scheint nicht genesen zu wollen.

1. April 1922
Emilys Zustand ist alarmierend! Harold hat Doktor
Sutherland eilends aus dem Dorf zu uns geholt. Er
versucht nun, sie mit harten Medikamenten vor dem
Schlimmsten zu bewahren! Doch trotzdem scheint sie
vor unseren Augen zu zerfallen! Oh mein Gott, welch
m�rderisches Ding sitzt nur in ihr? Sollte dies das
grauenvolle Geheimnis des Hawthorne Hauses sein? Ich
bin v�llig verzweifelt.

3. April 1922
Gestern Nacht ist Emily gestorben. Ich kann es nicht
fassen. Mein Gott, welches Schicksal ist mir nur
zugewiesen worden? Harold weint seit vielen Stunden.
Der Arzt kann ihr unaufhaltsames Dahinsiechen nicht
erkl�ren. Alle Hoffnung auf den gro�en Erfolg ist
dahin. Meine Familie ist zerst�rt, Harold redet nicht
mehr mit mir. Ich denke, ich werde morgen mit dem
Jungen in den Zug steigen, und bei meinen Eltern um
Aufnahme bitten. Aber sie h�tten recht, wenn Sie mich
zur�ckweisen w�rden.

6. April 1922
Dies wird nun die letzte Eintragung in diesem
Tagebuch sein. Ich sitze allein im Zug. Harold wurde
vorgestern von den Beh�rden losgeschickt, er ist nun
bei seinen Gro�eltern. Ich selbst wurde heute aus der
Untersuchungshaft entlassen, aber ich habe wohl einen
Proze� zu erwarten.
Dieses verfluchte Haus! Meine Zukunft sieht d�ster
aus. Der Anwalt, der mir zugewiesen wurde, rechnet
mit einer Gef�ngnisstrafe f�r mich, ein oder zwei
Jahre. Meine Karriere als Wissenschaftler ist dahin -
ich bin ein Gestrandeter ohne Zukunft, ohne Heim und
Familie.

Juni 1927
Mehr als f�nf Jahre sind vergangen. Dreiundsechzig
lange Monate voll von Qualen, voll Ungewissheit und
Verwirrung. Meine Gef�ngnisstrafe dauerte viereinhalb
Jahre, ich wurde haupts�chlich durch die
Zeugenaussage von Doktor Sutherland der fahrl�ssigen
T�tung an meiner Frau schuldig gesprochen. Habe die
Strafe widerspruchslos akzeptiert.
Doch all die dunklen Monate in der Zelle konnten mein
Herz nicht vergessen lassen, was damals auf dem Lone
Hill geschah, und wenn ich mir heute mein Tagebuch
durchlese, erlebe ich jede einzelne Sekunde von
neuem, und ich wei�, da� das Haus nach mir ruft, da�
ich ihm entweder sein schreckliches Geheimnis
entrei�en mu�, oder ein weiteres seiner Opfer werden
mu�. Ich bin bei meinen Eltern aufgenommen worden,
aber hier im Hause werde ich nicht mehr akzeptiert.
Harold ist vor zwei Wochen vierzehn geworden. Er geht
auf eine Schule in der Stadt, und interessiert sich
f�r vielerlei Dinge. Wir reden nicht oft miteinander.

13. Juni 1927
Ich hadere den ganzen Tag mit meinen Gedanken. Nichts
will mir von der Hand gehen. Seit Wochen kann ich an
nichts anderes mehr denken, als an den Lone Hill und
an das alte Hawthorne-Haus. Aber ich denke, da�
ohnehin l�ngst alles entschieden ist. Allein die
Tatsache, da� ich dies alte Tagebuch wieder aus mei-
ner Kiste herausholte, und neuerlich zu schreiben
begann, sagt schon alles. Es scheint mir nur noch
eine Frage der Zeit, bis ich den Mut aufbringe, wie-
der dorthin zu gehen. Aber was soll ich tun? Ich
besitze kein Geld, mein Ruf als Wissenschaftler ist
ruiniert, keine Gesellschaft und kein Verleger wird
mich je wieder unterst�tzen.

18. Juni 1927
Habe mir heute wieder ein paar der alten B�cher ange-
sehen, die ich damals vom Lone Hill mitgenommen habe.
Anschlie�end schrieb ich an P., der seit �ber f�nf
Jahren nichts mehr von mir geh�rt hat. Ich f�hle, da�
mich das Haus wieder gepackt hat.

24. Juni 1927
�berraschend schnell habe ich heute Antwort von P.
erhalten. Er schreibt, da� er lange Zeit ergebnislos
nach mir geforscht h�tte, und da� er �ber eine Menge
von neuem Material verf�gte. Er sei sehr froh, da�
ich mich nun endlich gemeldet habe. Er schickte mir
einige Schriftst�cke und Dokumente �ber die Sekte,
der die Hawthornes wahrscheinlich anh�ngig waren. Was
ich las, war verwirrend und erschreckend zugleich.
Sollte in diesem Mythos verborgen liegen, was f�r
mein Ungl�ck und f�r den Tod Emilys verantwortlich
ist? Wenn ja, dann w�re es meine Pflicht, das
Mysterium aufzukl�ren, und mich dem Unerkl�rlichen,
das dort existieren mag, zu stellen und es zu ver-
nichten. Aber es f�llt mir (im Gegensatz zu P.!) noch
immer sehr schwer, an Dinge zu glauben, die nicht
erkl�rbar sind. P. ist kein n�chterner
Wissenschaftler wie ich, sondern Mystiker. Er glaubt
an seltsame und verbotene Wissenschaften, an die
Wahrheit okkulter Riten und an ein Leben nach dem
Tod. Er dr�ngt mich, dem Geheimnis des Hawthorne-
Hauses weiter nachzuforschen. Er glaubt, da� Emilys
Tod tats�chlich mit dem Haus in Verbindung steht, und
da� ihre Seele keine Ruhe finden wird, bis da� das
b�se Geheimnis entdeckt und vernichtet ist. Ein
K�rnchen Wahrheit steckt schon in diesem Worten,
allerdings betrifft es meine Seele, und nicht die der
armen Emily. Werde ich ruhig schlafen k�nnen, mit dem
Verdacht, da� dort in den Kellern des Hawthorne-
Hauses etwas unsagbar Entsetzliches nur auf sein
n�chstes Opfer wartet, um dann wieder Tod und Ungl�ck
in die Welt zu bringen? Ich wei� es nicht.

30. Juni 1927
Gestern hat mich P. besucht. Im Namen des Clubs �ber-
reichte er mir einen Scheck �ber 500 Pfund, und
erteilte mir gewisserma�en den Auftrag, im Interesse
des Clubs und mir selbst die Forschungen wieder auf-
zunehmen. Wir sprachen lange miteinander, und
schlie�lich gelang es ihm, mich zum baldigen Aufbruch
nach Lone Hill zu bewegen. Ich sah, da� mich ein
Leben lang ein sp�ttisches Spiegelbild verfolgen
w�rde, br�chte ich nicht den Mut auf, herauszufinden,
welches grausame Ding meine Familie, meine Hoffnungen
und meine Zukunft zerst�rte.

2. Juli 1927
Meine Eltern verh�hnten mich und nannten mich einen
Irrsinnigen, als ich ihnen er�ffnete, da� ich zur�ck
nach Lone Hill gehe wollte. Vielleicht haben sie
recht. Harold spricht noch immer sehr wenig mit mir,
und ich kann das Leben im Haus meiner Eltern nicht
l�nger ertragen. Heute morgen stieg ich in den Zug,
und traf am Nachmittag auf dem Lone Hill ein. Das
Haus steht noch immer genauso schweigend und uner-
gr�ndlich da. Zum ersten Male kam mir sein Anblick
wirklich erschreckend vor. Doch ein neuer Mut, oder
sagen wir: ein unb�ndiger Zorn hat von mir Besitz
ergriffen, und ich bin entschlossen, das R�tsel nun
zu l�sen.

3. Juli 1927
Ich habe mich sofort daran gemacht, die Bibliothek
noch einmal gr�ndlich zu durchforschen. Mein Vorhaben
war von unerwartetem Erfolg gekr�nt! Ich fand ein
kleines, altes Buch, in speckiges Leder eingebunden.
Es tr�gt den Namen "Acolytum". Ich kann nur sch�tzen,
wie alt es ist, und ich w�rde sagen: mindestens zwei-
hundertf�nfzig Jahre, wenn nicht �lter. Die Seiten
sind mit einer archaischen Handschrift vollgekrit-
zelt, die sich kaum entziffern l��t. Ich werde mich
damit eingehend besch�ftigen m�ssen. Es scheint eine
alte Legende zu enthalten, die sich um ein
G�ttertriumvirat dreht.

5. Juli 1927
Nach harter Arbeit habe ich das meiste aus dem Buch
entschl�sselt. Das "Acolytum" mu� soetwas wie ein
fundamentales Werk sein, auf dem sich der Glaube
einer alten, l�ngst vergessenen Sekte aufbaut. Es
erscheint mir m�glich, da� es ein Relikt jener Gruppe
von Pilgern ist, die einst von den Raubrittern nie-
dergemetzelt wurden. In diesem Falle w�re das Alter
des Buches mit mindestens f�nfhundert Jahren zu ver-
anschlagen! Was f�r ein unglaublicher Fund! Ich
sp�re, da� meine Gedanken langsam damit beginnen,
nicht mehr in den gewohnten, exakt wissenschaftlichen
Bahnen zu verlaufen. Ich will hier den Inhalt der
Legende kurz zusammenfassen:

Der Gro�e Gott jener Sekte war Kal, der Gott der
Zerst�rung. Seine Gehilfin, die G�ttin Khalin wurde
von den Sektierern ebenso verehrt wie der dritte im
Bunde dieses Triumvirats, Kathaura, der W�chter zum
Tor der Ewigkeit. Diese drei Wesen sollen einst aus
den Weiten des Kosmos auf die Erde herniedergefahren
sein, mit dem letzten Strahl der Abendsonne, als die
Alten Wesen, die damals auf der Erde herrschten,
unachtsam waren. Es erhob sich ein gro�er Kampf zwi-
schen den drei b�sen G�ttern und dem H�chsten der
Alten Wesen, dem Priester Lharas. F�r Jahrtausende
erzitterte die Welt unter den f�rchterlichen Hieben,
die sich die vier Giganten beibrachten, bis
schlie�lich Kal durch den Verrat eines der Alten
Wesen obsiegte, und Lharas in ein schreckliches,
augenloses Montrum verwandelte.
Von nun an waren die Menschen unterjocht und sie hat-
ten schreckliche Qualen zu erleiden bis auf die, die
sich dem Gott Kal und seinen Gehilfen anschlossen. Zu
dieser Zeit, setzt man einmal voraus, da� diese haar-
str�ubende Sage wahr ist, hat sich die Kal-Sekte ent-
wickelt.
Nach den Berichten im "Acolytum" hatte aber Kal den
ebdg�ltigen Sieg noch nicht davongetragen. Denn
Lharas hatte einen treuen Freund unter den Menschen,
der hie� Tell, und mit seiner Hilfe gelang es ihm,
seinen unterirdischen Verlies zu entfliehen. Lange
Zeit �bte er sich, um ein letztes Mal dem b�sen Gott
Kal gegen�berzutreten, und das war nicht leicht, denn
er besa� kein Augenlicht mehr. Doch sein
Menschenfreund f�hrte ihn, und so begab sich Lharas
in das Wagnis.
Als Kal den blinden, verwachsenen Lharas erblickte,
lachte er ihn aus und verh�hnte ihn. Doch er hatte
den Priester der Alten Wesen untersch�tzt. Lharas
k�mpfte wie ein L�we, und er schien immerfort st�rker
zu werden. Kal wurde bald ganz in die Verteidigung
gedr�ngt, und da schlug ihm Lharas mit einem gewalti-
gen Streich sein einziges Auge aus: nun war auch Kal
blind! Er erhob ein m�chtiges Gest�hn, und bald wurde
Lharas gewahr, da� das Auge der Schl�ssel zu Kal's
Macht sein mu�te! Kalin und Kathaura eilten herbei,
doch sie konntem ihrem h�chstem Gott nicht mehr helfen.
Tell hingegen bem�chtigte sich Kal's Auge, und ver-
schwand, denn er hatte erkannt, da� Lharas sterben
w�rde. Er konnte aber dessen Tod nur dann einen Sinn
geben, wenn er daf�r sorgte, da� Kal sein Auge nicht
zur�ckbekam - denn es war allzu offensichtlich, da�
es der Schl�ssel zur Macht des schrecklichen Gottes
war. So floh er in das tiefe Labyrinth eines Vulkans,
in dem Lharas einst eine Schmiede eingerichtet hatte.
In dieser Schmiede zerst�rte er in der sengenden Glut
des Vulkans das "Auge des Kal", und verteilte seine
sechs Bruchst�cke auf die R�ume und Zeiten dieser
Welt.
Er schwor, in der Vulkanschmiede bis zu dem Tag zu
warten, an dem ein mutiger, aufrechter und beherzter
Mann k�me, um das Auge des Kal endg�ltig zu vernich-
ten. Aber er wollte nur dem Mann helfen, der sich
dieser Aufgabe w�rdig erwies, und ihm alle sechs
Splitter des Auges brachte, denn wenn Kal sein Auge
jemals durch einen Verr�ter oder einen unbedachten
Menschen zur�ckerhielte, w�rde er sein Reich des
Schreckens von Neuem errichten, und dann w�re es um
diese Welt geschehen.
Khalin und Kathaura jedoch bauten ihrem blinden Gott
einen gewaltigen Tempel, der verkehrtherum in die
Erde zeigte, und dort soll Kal noch immer in der
Dunkelheit schlafen, bewacht von Khalin und Kathaura,
und darauf warten, da� er eines Tages sein Auge
zur�ckbek�me. Hier endet die Sage.

Nun - ich fand diese Geschichte sehr beeindruckend.
Ich konnte mich ihrem Bann kaum entziehen, und fast
neigt mein geplagtes Herz dazu, ihr einen gewissen
Glauben zu schenken, den mir, so grotesk das klingen
mag, dieses alte Haus suggeriert.
Mein Kopf jedoch forscht unabl�ssig nach plausiblen
Erkl�rungen f�r den Tod meiner Frau, so seltsam er
sich auch zugetragen hat. M�glich w�re, rein wissen-
schaftlich betrachtet, da� dieser ganze Komplex der
Mythen und Relikte im Hawthorn'schen Haus noch heute
gegenw�rtig ist, da� geheime Essenzen und alchmisti-
sche Artefakte irgendwo in den Kellern existieren.
Ich denke an den abscheulichen, unnennbaren Gestank,
der aus dem Keller ins Haus hinaufdrang, und da� er
in Verbindung mit der winterlichen K�lte und dem
feuchten Mauerwerk, meiner armen, leider schon immer
etwas hinf�lligen Emily die Gesundheit so sehr zer-
st�rte, da� sie schlie�lich einer Krankheit erlag,
die durch die seltsame Athmosph�re von Untergang und
Zersetzung dieses alten Gem�uers noch beg�nstigt
wurde.
Doch ich will weiter forschen, bevor ich mich zu
einer endg�ltigen Darstellung meiner Erkenntnisse
herbeilasse.

6. Juli 1927
Heute habe ich mich wieder in den Keller begeben. In
einer gewissen Ratlosigkeit begann ich, die W�nde
abzuklopfen und den erdenen Boden aufzugraben. Ganz
unversehens wurde meine ziellose Tat belohnt. Ich
fand in etwa 50 Zentimetern Tiefe eine schwere
Steinplatte im Boden, die mit beunruhigenden Symbolen
verbr�mt war. Zweifellos stehen sie in Verbindung mit
der Kal-Legende, soviel l��t sich zweifelsfrei aus
den Illustrationen im Acolytum herleiten.
Diese Entdeckung ist um so wichtiger, weil ich mich
nun auf dem richtigen Weg wei�! Das "Acolytum" mu�
unabdingbar mit dem Hawthorne-Mythos in Verbindung
stehen. Auch kn�pfen sich nun die einzelnen Punkte
endlich zusammen: Die Pilgersippe, die von den
Raubrittern �berfallen wurde, mu� eine Anh�ngerschaft
des Kal-Mythos gewesen sein, was zu jenen l�ngst ver-
gessenen Zeiten durchaus denkbar erscheint. Die
Ritter, die ihr seltsames Beutegut nach Hause
schleppten, m�ssen mit den Dingen hantiert haben, die
sie gefunden haben. M�glicherweise erzeugten Sie
irgendeine Essenz, die jene Seuche im Tal ausl�ste,
und der sie selber zum Opfer fielen. Warum allerdings
damals die Bauersleute niemand mehr in der Burg fan-
den, ist unklar. Aber ich denke, ich werde auch die-
ses Geheimnis noch l�ften. Schlie�lich wurde die Burg
in Brand gesetzt, und so alle Dinge vernichtet, die
Hinweise auf die wahren Umst�nde h�tten geben k�nnen.
Es ist m�glich, wenn nicht gar wahrscheinlich, da�
die Keller der Burg von dem Feuer verschont blieben.
Danach war der Lone Hill f�r Hunderte von Jahren
unbewohnt. Die Bauern mieden den verfluchten Ort, und
sp�ter, als jene dunklen Ereignisse in gn�diges
Vergessen versunken waren, errichtete ein ahnungslo-
ser Mann ein gro�es Herrenhaus auf einem intakten
Steinfundament - was sich durchaus anbot. Schlie�lich
kamen die Hawthornes, ein Familienclan, der offen-
bar zu okkulten Praktiken neigte, und von der
Geschichte des Hauses erfahren hatte - sie war ja
schriftlich in der Geschichte der Umgegend und des
Lone Hill niedergelegt.
Gesetzt den Fall, da� in den Kellern der Burg in der
Tat pestilente Gase existieren, erkl�rt dies, da� die
fr�hen Bewohner des Hawthorne-Hauses sehr bald wieder
auszogen. M�glicherweise wird man hier �ber kurz oder
lang krank. Harold war es, Sam Hathorne wurde irr-
sinnig, und sein Vater und sein Gro�vater starben
hier. Und auch meine Emily wurde in diesem Haus vom
Schicksal ereilt. Auf welche Weise sich die Sage um
das Hawthorne-Haus aufbaute, ist klar. Doch noch
immer wei� ich nichts �ber die metaphysische Seite
dieser Entdeckungen. Mu� man denn in dieser Welt
alles logisch erkl�ren k�nnen? Kann es nicht auch
Magie und Zauberei geben? Ich zermartere mir das
Gehirn!

8. Juli 1927
Unter Lebensgefahr ist mir heute das unfassbare
Geheimnis des Kellers offenbar geworden! Es half mir
ein unscheinbarer Eisenring in der Decke des
versteckten Kellerraumes, den Zugang zu �ffnen. Es
w�re reine Spekulation, wenn ich deuten wollte, wer
vor undenklichen Zeiten diese unfassbaren Mechanismen
einbaute, um den Zugang zu den tieferen Teilen des
Kellers zu verbergen!
Doch nachdem ich mit aller gebotenen Vorsicht
schlie�lich weiter vorgedrungen war, er�ffneten sich
mir wundersame und be�ngstigende Dinge!
Ich erreichte einen archaische Kultst�tte, die grau-
enhafte Bildnisse auf den W�nden zeigte. Wer immer
dies auch ersonnen hat, er mu� ein K�nstler und auch
zugleich eine �u�erst morbide Person gewesen sein!
Die Bildnisse sind nicht die Arbeit eines sabbernden
Geistesgest�rten - wenngleich auch die Motive diesen
Schlu� nahelegen. Diese Person mu� ein wahrhaft fana-
tischer Anh�nger einer unsagbaren Religion gewesen
sein. Dieser Saal ist das Werk eines Menschenalters -
nicht das Produkt einer pl�tzlichen Verr�cktheit.
Ich entdeckte einen Kreis von sechs geometrischen
Quadern, und in dem Kreis ein Muster von sechs
Feldern in verschiedenen Farben. Im Zentrum des
Ganzen lag ein seltsam unf�rmiger Edelstein von
schwer definierbarer Farbe.
Erst als ich das Ding an mich genommen hatte, kam mir
meine Unvorsichtigkeit in den Sinn. Doch zum Gl�ck
geschah nichts. Bevor ich mich nun weiterhin mit der
tiefen, unterirdischen Kultst�tte besch�ftige, werde
ich von neuem die Bibliothek durchforsten. Ich mu� um
mein Leben f�rchten, wenn ich zu voreilig handle -
wer wei�, wo �berall es hier t�dliche Fallen geben
k�nnte!

10. Juli 1927
Ich habe lange Zeit �berlegt, bevor ich mich nun nie-
dersetze, um dies festzuhalten. Meine intensiven
Studien im Keller, die vollst�ndig recherchierte Sage
des Kal, die Hinweise aus dem "Acolytum" und die
Analen der alten Burg und des Hawthorne-Hauses dr�n-
gen mich zu dem Schlu�, da� mein Verlangen, diesen
Mythos rein wissenschaftlich zu erkl�ren, eine
gef�hrliche Mi�deutung werden k�nnte.
Letzten Anla� zu dieser Vermutung gaben die drei
Augen, die ich in der letzten Nacht durch das Fenster
der Bibliothek zu sehen glaubte. Es waren drei
gl�hende, bla�blaue Augen, und ich sah im schwachen
Mondlicht einen Schatten, der mir das Blut in den
Adern gefrieren lie�. Ich f�hlte mich sofort an das
namenlose Wesen erinnert, dessen unbeschreibliche
Spuren ich schon vor f�nf Jahren dort drau�en im
Schnee entdeckte.
Als ich am Morgen um das Haus ging, fand ich hier und
da im weichen Boden des Gartens jene Spuren wieder.
Ist dies die Spur des unbekannten Tieres, das den
Hund so rasend machte? Ist der arme K�ter dieser
Kreatur zum Opfer gefallen? Mein Gott, ich versp�re
eine hilflose Angst. Keine zehn R�sser verm�chten
mich dazu zu bringen, nachts vor die Haust�re zu tre-
ten!

12. Juli 1927
Nun steht es f�r mich fest. Wie schon Goethe's Faust
feststellte: "Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und
Erde, als Eure Schulweisheit sich tr�umen l��t!"
Dieser Satz, mit wissendem L�cheln gemeinhin akzep-
tiert, birgt ein schreckliches Geheimnis. N�mlich
jenes, da� die Schulweisheit - die, mit der auch ich
vollgetrichtert bin, vielleicht nur ein winziges
Prozent der ganzen, unfassbaren Wahrheit der Welt
ausmacht! Ich bin auf verschl�sselte Hinweise in
einem weiteren Buch gesto�en, die mir ganz eindeutig
sagen, da� ich mit jenem seltsamen Edelstein, den ich
im Keller fand, einen Splitter vom Auge des Kal in
den H�nden halten mu�!
Der Splitter mu� einer von den sechs sein, denn alles
deutet auf die Zahl sechs hin - die Sage, die sechs
Steinquader, das Relief an der Decke des unterirdi-
schen Saales.
Ich kann mich der Gewi�heit nicht mehr erwehren, da�
meine liebe Emily nicht an den Folgen eines vermale-
deiten Virus verstorben ist, sondern da� sich das
Haus mit seinem namenlosen Geheimnis gegen unser
Eindringen wehrte. Im Keller scheint die Sage des Kal
ihren Bezugspunkt zwischen den R�umen und Zeiten des
Universums zu haben, von hier aus mu� dieser mutige
und beherzte Mann, von dem die Sage spricht, begin-
nen, gegen das grauenhafte Unheil zu Felde zu ziehen,
das irgendwo in einem verborgenen, ghullischen Tempel
in der Gestalt eines blinden Gottes auf den Tag war-
tet, da es vernichtet wird, oder neu aufleben kann!
Sollte ich dieser Mann sein? Ich kann es mir nicht
vorstellen. Ich bin Wissenschaftler und kein
Abenteurer. Ich wei� nicht was ich tun soll! Mein
Verstand weigert sich, an diese dummen Geschichten zu
glauben, doch mein Herz und mein Gef�hl wei�, da� ich
in diesen alten, schauerlichen B�chern eine unvor-
stellbare Wahrheit fand! Wenn ich jemals wieder in
Frieden existieren will, dann mu� ich beginnen, die
Welt von einer neuen Seite her zu betrachten, und mit
diesem Wissen gegen die dunklen M�chte anzuk�mpfen,
die mir meine geliebte Emily geraubt haben.

13. Juli 1927
Heute habe ich den Edelstein an P. geschickt, und ihn
gebeten, ihn untersuchen zu lassen, und ihn seinen
Freunden vom Club zu zeigen. Obwohl ich mir sicher
bin, da� man das Material, aus dem er besteht, nir-
gends einordnen kann, will ich somit den letzten
Beweis zur Richtigkeit meiner j�ngsten Erkenntnisse
gewinnen.
In den geheimen B�chern, die ich wahrscheinlich alle
bald vernichten werde, habe ich den Hinweis gefunden,
der meine Ahnung best�tigt: jener Kreis der sechs
Quader soll eine Person durch Raum und Zeit bef�rdern
k�nnen! Der Reisende wird sich an unglaublichen Orten
wiederfinden - dort, wo Tell die f�nf �brigen
Splitter vom Auge des Kal versteckt haben mu�. Wieder
k�mpft mein wissenschaftlicher Verstand gegen diese
l�cherliche Behauptung an. Doch tief in mir wei� ich
um die Wahrheit dieser Dinge, die mich schlie�lich
doch noch einholen wird. Die Beweise sind inzwischen
erdr�ckend zahlreich. Sobald mir P. meinen Edelstein
zur�ckschickt, werde ich mit der Suche beginnen. Ich
habe keine Ahnung davon, was auf mich zukommen wird.
Derweil ich noch auf die R�ckpost von P. warten mu�,
werde ich mich eingehend mit allen Hinweisen besch�f-
tigen, die meine B�cher bieten, und dann die B�cher
vernichten. Sollte ich mich t�uschen oder versagen,
so wird nichts �brigbleiben als dieses Tagebuch. Es
soll Warnung sein f�r den, der es vielleicht einmal
finden wird. Wer mich nicht rundheraus als einen
Spinner bezeichnet, der soll versuchen, selbst das
Geheimnis des Kellers zu entdecken, und dann
entscheiden, ob ich hier die Wahrheit berichte, oder
in eine Anstalt geh�re.

15. Juli 1927
Die B�cher gaben Aufschlu� dar�ber, da� der oder die
Erbauer dieses unfa�baren Saales tief unter dem Haus
t�dliche Fallen installiert haben, die einem
Uneingeweihten das weitere Vordringen unm�glich
machen sollen. Ich mu� mich mit �u�erster Vorsicht
ans Werk begeben!
Ich fand im Acolyptum ein r�tselhaftes Gedicht, das
einen Schl�ssel zu den Welten in Raum und Zeit dar-
stellen mu�. Nunmehr hat die Zahl Sechs eine mysti-
sche Bedeutung. Doch damit ist eines klar: es gibt
sechs Splitter vom Auge des Kal, und sechs Welten in
Raum und Zeit, in denen sie versteckt sind. Und in
der letzten, der sechsten... dort schl�ft Er, Kal,
der Gott der Zerst�rung!
Hier das Gedicht, aber seine Bedeutung ist mir noch
ziemlich unklar:

Die "Sechs" ist aller Welten Zahl,
doch stets verbunden mit der Qual,
welch' Farbe durch die Zeiten f�hrt,
welch' Quader R�ume auch ber�hrt?
Sechs Welten mu�t Du nun bereisen,
Die "Sechs" wird auch den Weg Dir weisen!
Sechs Splitter mu�t Du wiederfinden,
um sie zuletzt dann zu verbinden!
Der Erste sei zu Deinen H�nden,
doch lass es nicht dabei bewenden:
Die Zweite unter blut'ger Sonn,
im dritten Stein, wer ahnt es schon?
Der Dritte liegt im ew'gen Eis
im sechsten Stein, was keiner wei�.
Der Vierte, weit verlorn im Meer
im Vierten Stein, es ist sehr schwer!
Der F�nfte hei� im Sonnenschein
in fr�her Welt, im f�nften Stein!
Die Sechste weit in finst'rer Welt,
im zweiten Stein, wo nichts mehr z�hlt!
Wer dient dem Gott der Dunkelheit,
halt' nun sein Auge ihm bereit.
Doch wem der Gott mit finstrer Macht,
die morgen vielleicht ganz erwacht,
noch nicht den Willen hat bet�rt,
das Auge letztlich doch zerst�rt!'

Dieses Gedicht hat zweifellos eine verschl�sselte
Bedeutung f�r den, der die sechs Splitter vom Auge
des Kal finden will, ich glaube, es stellt die R�ume
und Zeiten dar, in denen die Bewahrer der Alten Wesen
die Splitter versteckten.
Darin sind Steine erw�hnt, von denen ich glaube, da�
es sich um die sechs Quader handeln mu�. Ich entdeck-
te, da� sie mit r�mischen Ziffern nummeriert sind. Es
scheint mir auch Hinweise auf die farbigen Felder zu
geben.

16. Juli 1927
Habe heute morgen wieder Spuren vor dem Haus
entdeckt. Langsam bin ich sicher, da� hier wirklich
eine grauenvolle Monstrosit�t umgeht. Ein Wesen, das
verhindern will, da� ich dem Keller sein Geheimnis
entrei�e, und das mein unmittelbarer Feind ist - ein
Diener des grauenhaften Kal! Wie kann es nur in diese
Welt geraten sein? Oder sollte es jener namenlose
Abtr�nnige sein, der einst Lharas verriet? Mir
scheint, da� die Zeit dr�ngt, denn wer wei�, wieviel
Zeit meinem Leben noch zugemessen ist? Ich mu� bald
handeln.
Langsam f�gen sich die Teile des Spiegels zusammen.
Ich glaube, ich kenne jetzt die volle Bedeutung des
Gedichtes. Ich bin nur dabei, mit �u�erster Vorsicht
den Mechanismus der sechs Quader zu erforschen, und
ich denke, ich habe herausgefunden, wie man den
mystischen Kreis aktivieren kann. Abermals gab mir
das Acolytum den entscheidenden Hinweis. Um den
Mechanismus zu aktivieren, mu� man eines der farbigen
Felder betreten, und auf einen der Quader dr�cken.
Wie die Kombination ist, kann man dem Gedicht entneh-
men. Es scheint sicher, da� man die sechste Welt -
die Welt, in der der b�se Gott Kal schl�ft, erst ganz
zuletzt betreten kann. Und ich fand auch Hinweise, da�
eine falsche Bedienung des Mechanismus' den sicheren Tod
bedeutet! Noch wage ich nicht, ihn zu benutzen.

18. Juli 1927
Ich entdecke immer mehr Hinweise, die hilfreich sein
k�nnen. Das Acolytum ist eine Fundgrube. Leider
beginnt es mir unter den H�nden zu zerfallen! Das
Buch ist derartig alt, da� sich seit dem Tage, an dem
ich seine morschen Seiten aufklappte, sein uraltes
Papier sichtlich zersetzt hat. Ich mu� fieberhaft
arbeiten, solange es noch einigerma�en leserlich ist.
Das Gedicht allein gibt schon schwache Hinweise, in
welchen Welten man sich wiederfinden wird, sollte man
den Kreis aktivieren k�nnen. Auch erinnerten mich die
Verse an die Darstellungen auf dem gro�en Gem�lde,
das in der Eingangshalle h�ngt.

19. Juli 1927
Die Spuren um das Haus werden h�ufiger. Das namenlose
Wesen scheint zu sp�ren, da� ich der L�sung des
Geheimnisses nahe bin. Ich habe gro�e Angst.
Hoffentlich schickt P. bald den Splitter zur�ck! Ich
f�hle, da� ich mich auf die Reise begeben mu�!

20. Juli 1927
Oh, mein Gott! Heute nacht h�rte ich kratzende
Ger�usche an der T�re! In der Fr�he fand ich unz�hli-
ge Spuren um das Haus herum! Wenn ich nur w��te, was
f�r eine Kreatur das ist? Kann Sie mich t�ten? Ich
bin halb wahnsinnig vor Angst. K�nnte nun jede Minute
die Reise antreten, wenn P. nur den Splitter zur�ck-
schicken w�rde!

22. Juli 1927
Heute Nacht sah ich wieder in drei Augen! Sie starr-
ten mich abartig durch das Fenster der Bibliothek an
- Gott sei Dank aber sind die Fenster von au�en ver-
gittert! Das Wesen stammt nicht von dieser Welt, so
viel ist sicher! Habe mir heute eine schwere B�chse
im Dorf besorgt. Doch ich wei� nicht, ob ein blo�es
Gewehr gegen eine solche unirdische Kreatur etwas
ausrichten kann. Ich sitze nunmehr da und warte auf
Post von P.!

23. Juli 1927
Bin die ganze Nacht wachgewesen. Dauernd kratzte es
an der T�r, und manchmal glaubte ich, ein grauenvol-
les Grunzen und Sabbern zu h�ren! Sah mehrmals die
drei Augen durch die Fenster funkeln. Wenn die Post
nicht bald kommt, dann bleiben mir wohl nur zwei
M�glichkeiten: entweder reise ich auf der Stelle ab
und �berlasse das Hawthorne-Haus dem scheu�lichen
Ding dort drau�en... aber wer wei�, ob es mich nicht
verfolgt, wo ich doch schon so viel �ber das
Geheimnis wei�? Die zweite M�glichkeit w�re, das Ding
hereinzulassen, und es zu erschie�en! Noch immer
keine Post von P.

24. Juli 1927
Die N�chte hier im Haus zernagen meine Nerven. Die
Kreatur dort drau�en beginnt nun, an den Gittern der
Fenster zu zerren, und unirdische Laute auszusto�en.
Manchmal dr�hnt das ganze Haus! Lange halte ich das
nicht mehr aus! Wenn nicht bald Post kommt, mu� ich
irgendetwas tun! Viele N�chte stehe ich nicht mehr
durch!
Nun ist es mittag, und der Postbote war nicht da. Ich
bin sicher, da� das Monstrum jede Nacht wiederkommen
wird, und ich wei� nicht mehr, was ich tun soll. Ich
werde jetzt dieses Tagebuch beenden, ins Dorf lau-
fen, und es an P. schicken, mit der nochmaligen
Aufforderung, mir schnellstens den Edelstein-Splitter
zur�ckzusenden.
Ohne ihn w�re der Antritt der Reise durch die R�ume
und Zeiten dieser Welt sinnlos, denn dann k�nnte es
mir nicht mehr gelingen, an alle sechs Splitter zu
gelangen. Ich kann nur hoffen, da� er schnell kommt,
denn es wird nicht mehr lange dauern, bis dieses
Wesen ins Haus eindringt. Sollte dies geschehen,
bevor ich die R�ckpost von P. erhalten habe, dann
m�ge Gott meiner armen Seele gn�dig sein!